Galaxia Kriti 2013 – Über dem Libyschen Meer 1 von 3

Kleines Haus: Eremitage im Wind

RE-POST (Original vom 27. Juni 2013 von Jens Schnabel auf jensschnabel.de)

Mitte Juni, noch immer kein Sommer in Sicht, Überschwemmungen allerorten. Ich verschwinde aus München, tausche die kalte Nässe gegen eine Woche Sonne, Meer, Hitze und nackte Haut. Die letzte Nacht am Schreibtisch durchwacht, sitze ich am frühen Morgen im Flieger nach Heraklion, müde und vorfreudig. Im wilden Süden von Kreta, in Alleinlage direkt über dem Meer zwischen Agios Pavlos und Agia Galini gelegen, vermietet Rupert bezaubernde Ferienhäuser: Ein großes, auch für mehr als zwei geeignet, drei kleine, intime, für das Solo bis Duo. Das Libysche Meer leuchtet tiefblau herauf, dahinter liegt Afrika, keine 230 Kilometer südlich, um die Ecke quasi, wie München – Stuttgart. GALAXIA KRITI – „Kleines Haus“ heißt der Platz und der Milchstraßenbezug des Namens löst sich im Laufe dieses Berichts von ganz alleine auf.

Die kleine Eremitage soll mein Zuhause werden, für eine Woche. Sie ist winzig, gebaut im klassischen Stil dieser Gegend, aus gesammelten Steinen der nahen Umgebung. Alles, was Du hier brauchst, ist da. Du kommst an und hörst nichts außer dem Wind, ab und zu bricht sich eine Welle an der Felsküste unter Dir, eine Möwe schreit, das Rabenpärchen albert im Synchronflug über Dir oder die beiden Falken, Deine Nachbarn, schauen kurz jagend vorbei.

Du öffnest die große Doppeltür, womit eine Wand des Hauses sich in Luft auflöst, Himmel und Meer hereinlässt. Sofort ist der Sommer um Dich, den ganzen Tag. Und Du bist autonom hier: Aus Bergquellen in Deinem Rücken fließt Wasser bis in Dein Haus am Meer, die Sonne heizt es für Dich, mit Solarstrom temperiert der Kühlschrank den Wein und den Käse, die Trauben.

Schon bald fühlt es sich an, als fielest Du aus der Zeit. Dein Atem findet von ganz allein einen ruhigen, tiefen Rhythmus, Dein Blick wird weit. Minutenlang stehst Du still in der Tür, absichtslos, ohne einen Gedanken, schaust übers Meer Richtung Afrika und genießt den frischen Wind auf der nackten Haut.

Irgendwann sinkt die Sonne. Du stellst Oliven auf den Tisch und einen kühlen Weißwein aus der Gegend dazu. Die nächsten eineinhalb Stunden vergoldet die Sonne auf ihrem Weg ins Meer alles, was Dein Blickfeld erfasst: Großes Kino. Im Idealfall schaust Du zu zweit, kannst die Erfahrung teilen. Mir war das für ein paar meiner Tage hier vergönnt.

Westlich von hier, in den nächsten Buchten, geht es nicht weniger spektakulär zu, ganz besonders, sobald die Sonne sinkt.

Nach Sundowner und Fischessen bei Giorgos, zwei Buchten weiter auf der Terrasse von “PAVLOS PLACE“, kommst Du zurück in Dein Steinhaus, sitzt im warmen Nachtwind auf der Terrasse und schaust zu, wie es dunkler wird, wirklich Nacht. Und dann ist Dir klar, warum Rupert dem Platz diesen Namen gab: Zehn Kilometer südlich von hier liegen die beiden Paxmadia-Inseln vor Dir im Meer. Über ihnen strahlt unsere Galaxis, leuchtend in einer Tiefe und Pracht, wie ich sie noch nie vorher sehen durfte, noch nie.

Die ganze Nacht bleibe ich draußen. Schaue, lausche. Bin noch immer da, vollkommen wach, in der Morgenkühle, als die Sonne den Himmel über dem Meer zu ihrer Leinwand macht.

Ganz drinnen im Haus bist Du eigentlich nie. Selbst beim Duschen schaust Du das Meer, im Breitwandformat. Der Tisch ist groß und stabil, dass Du gut schreiben kannst oder Deinen Gast bewirten mit Stil. Wäre es Winter, schlösse ich beide Flügel der Tür und im eisernen Ofen knackten Olivenbaumstücke.

Mit Gas kochst Du Deinen Morgenkaffee, das Omelett, die Pasta. Und nie, wirklich nie, bremst eine undurchdringliche Mauer den Blick.

Kobaltblau ist es, das Libysche Meer, unterm Tag, und changiert hinein bis ins Indigo, von hier oben.

Ab und zu gehst Du nach unten, in Deine türkisene Bucht, in der das Wasser so sauber ist, dass es Dir nicht gelingt, einen einzigen Seeigel zu sichten.

Ist sie um, Deine Woche, bist Du randvoll, bis zum Bersten. Mit Farben, mit Wind und mit Sonne. Mit Energie aufgefüllt bis zum Platzen. Und neuen Ideen, neuen Konzepten, die im Stillen nur darauf warteten, dass Du ihnen einen Raum gibst wie diesen, endlich, damit sie geboren werden. Und dann freust Du Dich, dass Du hier sein durftest, dass Du wiederkommen darfst, im Spätsommer, im Herbst oder Winter. Danke, Galaxia Kriti. Und bis bald.

Text & Fotos © Copyright Jens-Gerhard Schnabel 2013–2017